Arbeiten mit Ganzkörperkräften Volle Kraft! Wenn der ganze Körper zum Werkzeug wird
Unser Körper ist in der Lage, für eine kurze Zeit hohe Kräfte zu mobilisieren. Er kann Kraft ausüben und auch einwirkende Kräfte gut aushalten.
Wenn jemand wiederholt den ganzen Körper einsetzen muss, um mit Kraft eine Tätigkeit auszuüben oder hohe äußere Kräfte zu überwinden, spricht man vom Einsatz der Ganzkörperkräfte. Die Krafteinleitung erfolgt dabei meist über die Hände und die erforderlichen Kräfte sind so hoch, dass die Tätigkeit normalerweise nicht im Sitzen ausgeübt werden kann. Dabei entstehen Belastungen für den gesamten Körper, insbesondere für den Oberkörper, die Schultern, Arme und Hände.
Wer ist betroffen?
Arbeiten mit Ausübung von Ganzkörperkräften kommen zum Beispiel bei folgenden Tätigkeiten vor:
- beim Arbeiten mit Hebeln, Brechstangen oder Hebebäumen
- beim Bedienen von Arbeitsmitteln, die auf Druck- oder Krafteinwirkung reagieren (z. B. Stemmen, Drücken, Bohren)
- beim Lagern und beim Transfer von Patienten
- beim Arbeiten mit Drucklufthämmern und Kettensägen
- beim Einsatz der Hände und Arme als Werkzeug (z. B. Drücken, Klopfen, Drehen, Schlagen, Hämmern)
- beim Bewegen von Lasten auf Rollen- oder Kugelbahnen
Wann spricht man von einer Gefährdung?
Ein hoher Krafteinsatz allein sagt noch nichts darüber aus, ob eine Tätigkeit gesundheitsgefährdend ist. Erst wenn die individuelle Leistungsfähigkeit überschritten wird, liegt eine Gefährdung vor.
Die Höhe der körperlichen Belastung wird unter anderen durch folgende Faktoren bestimmt:
- die Häufigkeit und Dauer der Kraftausübung und der Gesamttätigkeit,
- die Höhe der aufzuwendenden Kräfte,
- die Belastungsverteilung über die Arbeitszeit,
- die Umgebungsbedingungen (z. B. unebener Boden, Nässe, Zugluft),
- die Körperhaltung,
- die Bewegungsgeschwindigkeit,
- Greifbedingungen, Kraftübertragung und Griffgestaltung sowie
- Art der Krafteinleitung/Kraftübertragungspunkt (Hand, Arm, Schulter).
Wegen der Vielzahl der relevanten Faktoren wird die Gefährdung mit der Leitmerkmalmethode "Ganzkörperkräfte" beurteilt, alle diese Faktoren berücksichtigt. Eine wesentlich erhöhte oder hohe körperliche Belastung liegt immer dann vor, wenn nach der Leitmerkmalmethode der Risikobereich 3 oder 4 erreicht wird. Im Einzelfall, zum Beispiel bei Menschen mit Vorerkrankungen des Muskel-Skelett-Systems, kann schon dann eine Gefährdung vorliegen, wenn der Risikobereich 2 erreicht ist.
Wird die Hand regelmäßig als Werkzeug eingesetzt, entspricht das einer wiederholten Gewalteinwirkung auf die Hand.
Welche Beschwerden können auftreten?
Arbeiten mit der Ausübung von Ganzkörperkräften können zu Beschwerden an Muskeln und Gelenken der oberen und unteren Extremitäten und der Wirbelsäule führen. Auch eine Überlastung des Herz-Kreislaufsystems ist möglich, wenn diese Tätigkeitsart häufig ausgeübt wird.
Stoßartige Krafteinwirkungen beim Gebrauch der Hand als Werkzeug können die Gefäße schädigen und so zu Durchblutungsstörungen im Bereich der Hand führen. Eine Folge kann die sogenannte Weißfingerkrankheit einzelner oder mehrerer Finger sein.
Handlungsempfehlungen
- Stellen Sie sicher, dass die Gefährdungsbeurteilung von einer fachkundigen Person durchgeführt wird.
- Erfassen Sie bei der Gefährdungsbeurteilung, die Frequenz und Dauer der Belastung sowie die aufzubringenden Kräfte, die Greifbedingungen der Werkzeuge oder Materialien und die Körperhaltung. Nutzen Sie für die Gefährdungsbeurteilung die Leitmerkmalmethode „Ganzkörperkräfte“.
- Erfassen Sie ebenfalls, an welchen Arbeitsplätzen Ihre Beschäftigten diese Tätigkeiten ausführen müssen, in welchen Arbeitszeitanteilen das auftritt und ob weitere ungünstige Arbeitsbedingungen zu beachten sind.
- Prüfen Sie, ob sich durch den Einsatz von Technologie die Arbeitsverfahren so umgestalten lassen, dass die Ganzkörperkräfte nicht oder nur begrenzt zum Einsatz kommenn müssen.
- Ergreifen Sie Maßnahmen, um die Dauer und Intensität der Ausübung zu begrenzen.
- Binden Sie bei der Gestaltung des Arbeitsplatzes und der Tätigkeit Ihre Sicherheitsfachkraft und Ihre Betriebsärztin oder Ihren Betriebsarzt ein.
- Sorgen Sie durch das Bereitstellen geeigneter Hilfsmittel dafür, dass Ihre Beschäftigten Arme und Hände nicht als Werkzeug einsetzen müssen.
- Unterweisen Sie Ihre Beschäftigten entsprechend.
- Arbeitsmedizinische Vorsorge: Wenn die Tätigkeit mit manueller Lastenhandhabung verbunden ist und nach der Leitmerkmalmethode "Ganzkörperkräfte" ein Punktwert im Risikobereich 3 erreicht oder überschritten wird, müssen Sie Ihren Beschäftigten eine arbeitsmedizinische Vorsorge schriftlich und persönlich anbieten (Angebotsvorsorge). In allen anderen Fällen müssen Sie den Beschäftigten auf deren Wunsch eine arbeitsmedizinische Vorsorge ermöglichen (Wunschvorsorge).
- Benutzen Sie die Ihnen zur Verfügung gestellten Arbeitsmittel und Werkzeuge bestimmungsgemäß.
- Handeln Sie so, wie Sie es in den Unterweisungen und Einweisungen gelernt haben.
- Halten Sie die Pausen ein.
- Achten Sie darauf, Ihre Arme und Hände nicht als Werkzeug zu benutzen.
- Nehmen Sie die arbeitsmedizinische Vorsorge wahr.
- Schaffen Sie sich in Ihrer Freizeit einen Ausgleich zu Ihrer Tätigkeit. Leben Sie möglichst gesund, rauchen Sie nicht und bewegen Sie sich ausreichend, um Ihren Stoffwechsel anzuregen.
- DGUV-Information 208-033 "Muskel-Skelett-Belastungen – erkennen und beurteilen“
- Basis-Check und Einstiegsscreening der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin
- Leitmerkmalmethode zur Beurteilung und Gestaltung von Belastungen der Ausübung von Ganzkörperkräften
- Handbuch zur Gefährdungsbeurteilung der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin
- Ergonomie – Arbeiten mit erhöhtem Kraftaufwand
- Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV): Die Verordnung schreibt vor, dass Arbeitgeber und Arbeitgeberin den Beschäftigten bei wesentlich erhöhten körperlichen Belastungen in Verbindung mit Ganzkörperkräften, die mit Gesundheitsgefährdungen für das Muskel-Skelett-System verbunden sind, arbeitsmedizinische Angebotsvorsorge anbieten oder anderenfalls Wunschvorsorge ermöglichen müssen. Das gilt nicht, wenn aufgrund der Gefährdungsbeurteilung und der getroffenen Schutzmaßnahmen nicht mit einem Gesundheitsschaden zu rechnen ist.
- Arbeitsmedizinische Regel (AMR) 13.2: Sie konkretisiert, wann Tätigkeiten mit Ausübung von Ganzkörperkräften wesentlich erhöhte körperliche Belastungen darstellen und eine arbeitsmedizinische Vorsorge anzubieten ist (Angebotsvorsorge).
- Arbeitsmedizinische Empfehlung (AME) Wunschvorsorge: Die Empfehlung beschreibt Zugangswege und Inhalte der Wunschvorsorge und nennt Beispiele.